Wenn Muslime Witze erzählen

Arabist sieht trotz Streits um Mohammed-Karikaturen eine lange Humortradition im Islam

News Prof Thomas Bauer

Islamwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Bauer

Der Islam hat entgegen anderen Einschätzungen aufgrund des Karikaturenstreits laut Experten eine lange Humortradition. „Von einem ziemlich großen ‚sense of humor‘ zeugen zahlreiche Witze- und Anekdotensammlungen, die die arabische Literatur in den letzten tausend Jahren hervorgebracht hat und in denen der Humor keineswegs vor der Religion haltmacht“, schreibt Islamwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Bauer vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen-Wilhelms Universität Münster (WWU) in der aktuellen Ausgabe des „Rheinischen Merkur“. Die klassische Literatur zeige „zahlreiche Anekdoten und witzige Epigramme, die mit religiösen Themen spielen“, so Bauer. „Das Bild des humorlosen Islam bestätigt das jedenfalls nicht.“

Der islamische Humor ähnele dem jüdischen Witz, schreibt der Experte. Als Beispiel nennt er eine Vielzahl an Beduinenwitzen, in denen naive Wüstensöhne dazu dienten, religiöse Dogmen oder Riten spielerisch zu hinterfragen. Ob solche Witze auch heute noch möglich seien, komme auf den Staat an, unterstreicht Thomas Bauer. „In Tunesien oder Syrien wäre es weniger problematisch als etwa in Saudi Arabien.“ Dagegen sei die Verbreitung von humorvollen Sprachspielen, bei denen in früheren Jahrhunderten Koranzitate in andere Texte eingefügt worden seien und somit einen neuen Sinn ergaben, heute nicht mehr denkbar. In der klassischen arabischen Literatur sei vieles möglich gewesen, was heute im öffentlichen Raum muslimischer Länder undenkbar sei.

„Seit dem 19. Jahrhundert sieht sich die islamische Welt in einer ständigen Verteidigungshaltung gegen den Westen“, so der Arabist. Muslime hätten das eigene Erbe „zensiert und moralisch gereinigt“. Seitdem hätten „Verbiesterung und Prüderie“ Einzug gehalten. Das Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem Westen habe sich bis heute noch verstärkt. „In dieser Situation lässt man sich nicht gerne auch noch verspotten“, so der Wissenschaftler in Anspielung auf den Karikaturenstreit. „Dass vor diesem Hintergrund eine Verspottung des Islam leicht politisch ausgenutzt werden kann, ist wenig erstaunlich.“  (vvm)